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Respekt und Vertrauen kann man nicht trainieren. Respekt und Vertrauen muss man sich erarbeiten. Man muss sich des Respektes und dem Vertrauen des Hundes als würdig erwarten. Bei jedem Hund.

Ich war einmal bei einem Hundeverein in Süddeutschland eingeladen, um ein Seminar durchzuführen. Ein Bestandteil dieser Veranstaltung war, dass ich am Samstagabend in einer großen Runde bei einem Grillabend allen Mitgliedern des Vereins Rede und Antwort stehen sollte. Es wurde ausdrücklich ein reger Austausch zwischen uns gewünscht, mit der Absicht, die Vereinsmitglieder zum Nachdenken über deren bisherigen Blickwinkel auf den Hund anzuregen. Und genauso gestaltete sich der Abend. Es wurden Fragen gestellt, die wir erörterten. Ich habe Thesen in den Raum gestellt, über die diskutiert wurde.

Manches führte auch zu keinem abschließenden Ergebnis. Es musste damit einfach im Raum stehen gelassen werden, mit dem Hinweis: Für jeden ist diese These unterschiedlich, weil er einen anderen Hund und eine abweichende Vorstellung vom Zusammenleben mit ihm hat. Es gab querbeet fruchtbare Diskurse: von der Haltung, über die Fütterung, bis hin zum Sozialverhalten in einem Rudel. Natürlich ging es auch um Erziehung, und in diesem Zusammenhang machte ich zwei meiner typischen Aussagen. Erstens: “Trainieren statt dominieren” kann nicht funktionieren. Wenn ich einen Hund haben möchte, den ich zu hundert Prozent kontrollieren kann, braucht es auch immer eine Dominanz. (Dominanz ist Macht, die ich einem anderen zugestehe. Und wenn ich sie ihm freiwillig zugestehe, dann bekomme ich etwas dafür. Wenn dein Hund dir freiwillig die Dominanz zugesteht, bekommt er dafür von dir Sicherheit.)

Zwei typische Aussagen vom Pfoten-Pfad:

Die zweite typische Aussage von mir: Respekt und Vertrauen kann man weder üben noch trainieren! Beides muss man sich erarbeiten. In diesem Zusammenhang begann auch eine junge Frau, die mit ihrer Mutter und einem schokobraunen Labrador anwesend war, intensiver mit mir zu sprechen. Sie war anderer Ansicht und meinte, dass man nur durch trainieren und nur durch Üben einen Hund dazu bringen kann, völlig kontrollierbar zu sein. Ich widersprach zunächst nicht, im Gegenteil. Ich stimmte ihr zu mit den Worten: Ja, man kann mit diesen Hilfsmitteln Hunde wunderbar trainieren, aber eben weder Respekt noch Vertrauen. Bei den meisten Hunden ist es ja so, dass sie wunderbar trainiert sind. Nur ihr trainiertes Verhalten aufgrund mangelndem Respektes und Vertrauen nicht abrufen. Aber auch diese Hunde bräuchte man nicht zu trainieren. Man müsste mit ihnen keine Situationen üben, wenn man ihren Respekt und ihr Vertrauen hat. Und dazu benötigte man dann weder Leckerli noch Clicker und auch keine Schleppleine.

Ich brachte bewusst diese drei Hilfsmittel der Hundeerziehung genau jetzt ins Spiel, hatte ich doch einige Stunden zuvor die Frau auf dem Gelände mit ihrem Hund gesehen, wie sie genau diese drei im Training mit ihrem Hund zum Einsatz brachte. Sie widersprach mir und behauptete, dass sie ohne Leckerlis und ohne Clicker ihren Hund nicht erziehen könne und er auch nicht ohne Leine an ihrer Seite gehen würde. Challenge accepted!, wie es auf Neudeutsch heißt. Diese Herausforderung nahm ich dankend an, konnte ich doch allen Vereinsmitgliedern auf einfache Art und Weise zeigen, wovon ich rede. 

Wenn Es in der Beziehung zwischen Mensch und Hund Respekt und Vertrauen gibt, dann kann man auch ohne trainieren einfach mit seinem Hund gehen.
Einfach mit dem Hund gehen.Mehr bedarf es nicht um seinen Hund zu führen. Respekt und Vertrauen kommen dann ganz schnell von selbst.

Die junge Frau holte ihren Hund, einen Labrador

Ich bat die Frau, ihren Hund zu holen und mit ihm einmal quer durch die Veranstaltung zu gehen, so wie sie es bislang immer tat. Sie schaute ihre Mutter völlig überrascht an, denn mit dieser Wendung hatte sie nicht gerechnet. Aber irgendwie spürte sie auch, dass sie so einfach aus dieser Nummer nicht mehr herauskam. Sie ging also zum Auto, in dem ihr Hund wartete. Auf dem Parkplatz stand auch ein Kombi mit geöffneter Heckklappe, in dem einige Hunde saßen und warteten. Und egal, wer oder was an ihnen vorbeiging, sie ließen sich davon nicht beeindrucken. Es handelte sich um Lisas und meine Hunde. Und um dieses Verhalten zu erzielen, mussten wir uns einige Male bei den Hunden entsprechend durchsetzen und von ihnen Disziplin einfordern, denn: ohne Disziplin keine Konzentration, kein Warten. Und ohne dieses kein Respekt und kein Vertrauen.

Die junge Frau kam mit ihrem Labrador zurück. Sie hatte sich einen Bauchgurt umgebunden, an dem einige Beutel hingen. Sie waren offensichtlich mit diversen Leckerchen bestückt, wie man sehen und auch riechen konnte. Hundehalter, die in dieser Art mit ihrem Hund arbeiten, unterschätzen oft, wie sehr die anderen Leute um sie herum den Geruch der getragenen Leckerlies wahrnehmen. Man gibt ihnen auch nicht gern die Hand, da man diesen Geruch nicht so gern an seinen eigenen Händen hat. Die Frau ging durch die Reihen der Teilnehmer, die an Festzeltgarnituren saßen und zum Teil noch mit Essen und Trinken beschäftigt waren. Sie spürte, dass alle Blicke auf sie gerichtet waren. Ich bat sie, ein paar mal hin und her zu gehen, damit sie ihre Nervosität abbauen konnte. Nun forderte ich sie auf, stehenzubleiben und mir und allen Anwesenden bitte einmal kurz zu erklären, was genau sie dort tat.

Ich bat sie, uns zu erklären, was sie mit dem Clicker tat.

Sie erklärte uns, wie sie den Clicker einsetzte und den Hund permanent fütterte, um ihn von den anderen Hunden und Menschen abzulenken, damit er bei ihr blieb. Die Schleppleine, so erklärte sie uns, diente dazu, dass sie immer noch einen Zugriff auf ihren Hund hätte, falls er doch mal ihre Seite verlassen sollte – also eine Art Notanker. Ich stellte mich neben sie und fragte sie, ob sie jetzt nicht mal Lust hätte, all diese Hilfsmittel wegzulassen und einfach nur zu gehen. Ich sei sicher, ihr Hund würde genau das gleiche Verhalten an den Tag legen. Sie entgegnete mir, dass dies nicht klappen würde, ohne diese Hilfsmittel würde ihr das nicht gelingen. Ihr Labrador würde sofort zu den Tischen laufen und sich von den Tellern bedienen. Ich erklärte ihr, dass sie bei diesem kleinen Experiment doch nichts zu verlieren hätte. Im Grunde genommen könnte sie nur gewinnen und wenn es nur die Erfahrung sei, dass ich falsch läge. Sie lächelte verlegen und meinte: “Na ja, gut.”

Ich ermutigte sie.

Nun ermutigte ich sie: “Stell dir mal vor, du wirst jetzt gleich mit deinem Hund an deiner Seite gehen, frei von all den Hilfsmitteln und frei von allen Zweifeln. Dein Hund geht ganz einfach an deiner Seite, weil du es ihm sagst und weil er dich respektiert. Und wenn du ehrlich zu dir bist, wäre es doch für dich wunderschön, mit deinem Hund an deiner Seite ohne jedes Hilfsmittel zu gehen, nicht wahr?” Die junge Frau nickte kurz und hörte mir weiter zu. “Stell dir vor, dein Hund verbringt mit dir gerne sein Leben, weil er dir zutraut, dass du die richtigen Entscheidungen in seinem Leben triffst. Und er vertraut dir, weil er die Erfahrung gemacht hat, dass du ihn gut durchs Leben führen kannst. Wäre das nicht schön?” Die junge Frau nickte wieder kurz.

“Und nun schaust du geradeaus, dort hinten, auf dieses grüne Auto, das dort steht. Du richtest deinen Blick nur auf dieses Ziel, du siehst nirgendwo anders hin. Und nun gehst du einfach los und gibst deinem wunderbaren Hund dein Kommando, an deiner Seite zu gehen, und er wird das tun, weil du es erwartest. Er wird an deiner Seite gehen, weil er spürt, dass du führst, und weil er wahrnimmt, dass es gut für ihn ist. Und nun gehst du los.” 

Respekt und Vertauen kann man sich schnell erarbeiten, sowohl beim Menschen, als auch beim Hund oder Pferd.

Was tat die junge Frau als erstes? Sie sah ihren Hund an, um dann das Kommando “Fuß” zu geben, und sofort passierte genau das, was in solchen Fällen geschieht: Der Hund zögerte einen kurzen Moment und lief dann zu ihrer Mutter. Die junge Frau schaute mich mit einem Blick an, der deutlich zeigte: Siehst du, habe ich dir doch gesagt. Aber bevor sie das aussprechen konnte, forderte ich sie auf:  „Du rufst jetzt deinen Hund zu dir und tust genau, was ich dir sage: Du schaust auf das grüne Auto, du gibst deinem Hund das Kommando, an deiner Seite zu sein, und dann gehst du los.“

Diesmal machte sie genau, was ich ihr aufgetragen hatte: Sie rief ihren Hund zu sich, er stand wieder links neben ihr, sie sah zu dem grünen Auto, das in einiger Entfernung stand, sie sprach “Fuß” und ging los. Durch meine Beobachtungen am Nachmittag wusste ich, dass sie normalerweise einen selbstbewussten Gang an den Tag legte, voller Selbstvertrauen, als befände sie sich auf dem Laufsteg einer Modenschau. Dazu strahlte sie  eine gewisse Portion Stolz und Erhabenheit aus. Was ihr fehlte, war die Zielstrebigkeit. Die bekam sie jetzt durch meine Anweisung mit, auf das grüne Auto zu sehen und dort hinzugehen. Und nun setzte sie genau dies um.

Und es passierte was immer passiert, wenn Respekt und Vertrauen in einer Beziehung zum Hund einkehren.

Es passierte, was passieren musste: Ihr Hund ging mit. Er ging an ihrer linken Seite, ohne dass es eines Hilfsmittels bedurfte. Er tat dies, nur weil sie es sagte und weil er spürte, dass es gut ist, genau das jetzt auszuführen. An dem grünen Auto blieb sie stehen. Man sah ihr an, dass sie gar nicht fassen konnte, was gerade passiert war. Das erste, was sie zu mir sagte, war: “Aber er schaut gar nicht zu mir.” Ich ging darauf jedoch nicht weiter ein und gab ihr die Anweisung: „Du gehst jetzt genauso wie gerade eben, und dein Hund wird an deiner Seite gehen, weil er stolz auf dich ist und dich respektiert. Du gehst geradewegs zu dem Grill, der dort steht. Kurz davor bleibst du stehen, und du wirst sehen, dein Hund wird im Laufen auch zu dir hochschauen.“ Ihr Blick wanderte kurz zu mir. Ich wiederholte meine Worte. Und dann ging sie los, wieder mit dem Hund an ihrer linken Seite und auch wieder ohne ein Hilfsmittel.

Wie Respekt und Vertrauen das Bild vom Hund nachhaltig verändern können.

An dem Grill angekommen fragte ich sie, wie es denn nun sei mit dem Heraufschauen. Sie sah mich an und erklärte mir, dass es für sie wichtig sei, dass ihr Hund beim Gehen zu ihr heraufblicken würde. Sie bräuchte das für Obedience. Die Vereinsmitglieder, die um uns herum saßen und uns zugehört hatten, schmunzelten. Sie klärten die junge Frau wortreich darüber auf, dass ihr Hund die ganze Zeit zu ihr hochgeblickt und sie regelrecht angehimmelt hatte. Ungläubig schaute sie die Menschen um sich herum an. Dann sah sie ihre Mutter an, die das nickend bestätigte. Ja, so einfach kann das sein. Diese junge Frau war fest davon überzeugt, dass ihr Wunschbild von einem Hund nur mithilfe dieses Zubehörs zustande kommen würde. Sie konnte sich gar nicht vorstellen, all diese Hilfsmittel auch weglassen zu können. Aber sie konnte es, denn in ihr war alles vorhanden, was man benötigt, um einen Hund zu führen. Sie wusste es nicht, sie ahnte es nicht und vor allem: Sie glaubte es nicht. So war es nicht weiter schwer, ihr zu zeigen, dass sie für ein wunderbares Leben mit ihrem Hund all diese Hilfsmittel gar nicht benötigte. Und dass es ein Irrglaube war, diese zum Führen ihres Hundes zu brauchen. Ihr Vertrauen in sich selbst genügte vollauf.

Respekt unter Hunden

Wie Respekt unter Hunden aussieht, konnten wir in dem Huskyrudel filmen. Siehe dir hier das Video bei YouTube an und staune, wie einfach Hunde nur aufgrund ihrer Willenskraft sich durchsetzen können und Respekt einfordern. Du wirst überrascht sein, wenn du spektakuläres erwartest und staunen, wie einfach und geräuschlos das in einem Rudel vonstattengeht.
Zum Inhalt des Videos bei YouTube: Der Napf, der in der Mitte im Hintergrund steht, ist voll mit frischem Fleisch. Cola, links im Bild, ist sehr verfressen und würde liebend gerne diesen Napf leer fressen. Rechts, in der Hütte, liegt Cutie. Cutie gelingt es nur aufgrund ihres Willens, ihrer mentalen Stärke, dass Cola nicht an das Futter geht. Das ist Durchsetzungsvermögen von Cutie und daraus resultierender Respekt von Cola.

Und jetzt los, lass uns Wissen, was du denkst!