Wenn es darum geht, Regeln durchzusetzen, sind Hunde hart und zögern nicht, anders als viele Menschen. Selbst die geduldigsten Hunde haben ihre Grenzen, deren Überschreitung zu klaren Konsequenzen führt und keinen Raum für Diskussionen lässt. Es ist, als ob die erwachsenen Hunde sagen würden: „Das reicht, Schluss damit!“ Das führt meist zu Fiepen und Wimmern bei den jungen Hunden, die bislang nicht gelernt haben, wo beim Spielen Grenzen anfangen oder erwachsene Hunde zu sehr belästigt werden. Irgendwann stellen die erwachsenen Hunde schnell und unmissverständlich klar, dass die jungen Welpen zu weit gegangen sind. Plötzlich steckt die Schnauze des jungen Hundes im Maul des erwachsenen Hundes. Entweder lernt der junge Welpe daraus und wiederholt das Verhalten nicht, oder er tut es wieder und verursacht einen größeren Aufruhr. Manchmal entstehen kleine Wunden an der Nase, die aber schnell verheilen und schließlich Fell nachwachsen lassen. Wenn der junge Welpe nicht zu den lernresistenten seiner Art gehört, wird er schnell die Grenzen gegenüber erwachsenen Hunden lernen – oder, um es mit menschlichen Worten zu sagen: Wie man sich anständig und sozial benimmt.
Wenn ich das Verhalten der Hunde untereinander als Beispiel für den Umgang mit meinen eigenen Hunden nehme, werde ich nie größere Probleme im Zusammenleben mit ihnen haben. Hier zeigt Husky Django die Welpenerziehung.
Ikarus und Anton waren die 10 Monate jungen Söhne von Phoenix und Pünktchen. Alle vier waren in einem großen Gehege in Lisas Rudel zusammen. Sie wuchsen also als regelrechter Familienverband auf. In der Regel sind die jungen Rüden mit sieben bis acht Monaten geschlechtsreif. Das zeigen sie daran, dass sie das Beinchen heben. Aber weder Ikarus noch Anton hoben das Bein. Sie urinierten weiterhin wie eine Hündin. Sie waren sicherlich bereits geschlechtsreif, das heißt, sie hätten decken können, aber sie zeigten es nicht an. Die beiden wagten es offensichtlich nicht.
Im Alter von 11 Monaten zogen die beiden in ein anderes Gehege aus. Es dauerte einen Tag, und beide hoben ihr Bein zum Urinieren. Und weitere zwei Tage später begannen beide das Gehege wie vollwertige Rüden zu markieren. Was war geschehen? Ihr Vater, Phoenix, hielt einen Deckel auf die beiden, damit sie nicht so aufmüpfig werden. Dadurch wagten sie es nicht, ihr Beinchen zu heben. Seine pure Präsenz und seine Erwartung reichten dazu, dass sie sich unterordneten. Dazu benötigte er keine Rituale oder Drohgebärden. Er war nur ehrlich und authentisch und wusste, wie die Dinge zu laufen haben. Er war einfach er selbst.
Wer setzt sich durch?
Der, der den größeren Willen hat. Und wer bereit ist, weiterzugehen, als sein gegenüber. In dem obigen Beispiel eindeutig Phönix.
Dazu gibt es eine Art mathematisches Gesetz:
Je mehr Willenskraft und Zielstrebigkeit, umso weniger Körperlichkeit ist erforderlich.
Je weniger Willenskraft und Zielstrebigkeit, umso mehr Körperlichkeit ist erforderlich.
Das ist die Erklärung, warum insbesondere körperlich stark eingeschränkte Menschen selbst ihnen körperlich überlegene Hunde problemlos ohne Leine führen können.
Es braucht dazu keiner Gebrauchsanweisung oder besondere Trainings, nicht mal eine ausgeklügelte Strategie. Immer wieder erlebe ich das bei geistig beeinträchtigen Menschen, die bei uns Hilfe mit ihrem Hund gesucht haben. So manches Mal habe ich ihnen einen sich an der Leine gebärdenden Hund an die Hand gegeben und ihnen gesagt: “Schau nach vorn, da drüben, das Schild, das ist dein Ziel, da gehst du jetzt hin.” Sie gingen los und der Hund folgte brav an der Leine. Warum? Sie hatten eine Aufgabe, gehen, und ein Ziel, das Schild. Beides sind die Grundlagen zu führen. Einer führt, einer folgt.
Das ist übrigens auch beim Radfahren möglich. Hab deinen Hund an einem Halter oder einer Leine in der Hand, schau nach vorn und fahre zügig los. Nach wenigen Metern wird dein Hund neben dir sein. Viele unserer Gäste haben das Radfahren mit ihrem Hund genau so begonnen. Innerhalb von nur 20 Minuten. Lisa hat bereits Kunden das Radfahren mit Hund demonstriert, während sie nebenbei ihr Pferd gefüttert hat, weil es so einfach ist. Falls es länger dauert, machst du etwas falsch. Möglicherweise hast du nicht die richtige Einstellung. Möglicherweise hast du Sorgen oder Ängste, die da nicht hingehören. Diese Sorgen und Ängste können dich lähmen. Sie haben Macht über dich, dein Denken und deine Gefühle.