Indy mit Welpen im Gehege

Dieses Dogma kursiert schon seit vielen Jahren in der Hundeszene: Der Chef, das Leittier, der Rudelführer, das Alphatier oder wie auch immer wir das jetzt nennen mögen, geht zuerst durch eine Tür! Wir wollten wissen, ob das stimmt und machten einen Test! 

In dem Gehege, in dem das Rudel lebt (Erfahre hier, ob du mit deinem Hund ein Rudel bist), ist es uns möglich bei Bedarf das Gehege in mehrere “kleine” Abteile zu unterteilen. Grundsätzlich stehen die Türen der einzelnen Abteile immer offen, sodass jeder Husky nach Belieben in jedes Abteil gehen kann. Zu Beginn dieses Experimentes hatten wir alle Huskys zusammen in ein Abteil untergebracht und die Türen verschlossen. 

Wir öffneten die Tür….

Dann kam der große Augenblick. Wir öffneten die Tür des Abteils, in dem sich die Huskys befanden, sodass sie in das nächste Abteil gehen konnten. So gedacht, so getan. Und wer war der Erste, der durch die Tür ging? Es war ein der Welpen, die zum Zeitpunkt dieses Experimentes etwas über 5 Monate jung waren: Freya. Hinter dem letzten Hund schlossen wir dann wieder die Tür des Abteils, sodass das Rudel abermals in einem Abteil zusammen war und wir öffneten die Tür zum nächsten Abteil. Diesmal war es Edge, der als Erstes durch die Tür ging. Wir wiederholten den Vorgang, und wieder war es ein Welpe, Lina, der zuerst durch die Tür ging. Beim nächsten Test war es die Junghündin Magic, die zuerst durch die Tür ging. Und so ging es noch etliche Male weiter. 

Bei jedem Test, den wir durchführten, war es ein anderer Husky, der als Erstes durch die Tür ging. Für uns ist damit hinlänglich belegt, dass an dem Dogma mit dem Chef, der zuerst durch eine Tür geht, nichts dran ist. 

Und wenn Futter im Spiel ist?

Doch wie ist das, wenn die Huskys wissen, das auf der anderen Seite der Tür das Futter für Sie bereit steht?

Wir machten den Test. Wieder separierten wir das gesamte Rudel in einem Abteil. In dem benachbarten Abteil stellten wir einige Näpfe mit gewolftem Fleisch. Erfahre hier etwas mehr zum Thema Futter. Die Näpfe standen in der Mitte des Abteils. Die einzelnen Näpfe hatten einen Abstand von einem Meter. Dann warteten wir 15 Minuten ab. Wir wollten, dass auch tatsächlich jeder der Huskys wusste, dass in dem benachbarten Abteil Futter stand. Vermutlich hätten auch wenige Minuten gereicht, doch wir wollten sichergehen. Und es entstand etwas in dem Abteil mit den Huskys, dass wir so in der deutlichen Form nicht erwartet hatten. Die Huskys kennen ihr Gehege genau und sie wissen auch genau, wo die einzelnen Türen der Abteile sind. Und nun standen sie genau vor der Tür zu dem Abteil mit dem Futter. Schon kurz nachdem wir die Näpfe hingestellt haben, begannen die ersten kleinen Rangeleien. Nichts Ernstes, gegenseitiges anbellen und Unmutsbekundungen in Form von Zähnen zeigen. Und je länger sie sich dort an der Tür drängelten, umso intensiver wurden die Rangeleien.

Was machte Indy?

Indy, die Leithündin, wie auch zwei ihrer Welpen, war das offensichtlich schon zu blöd. Sie hielten sich nicht nur aus den Rangeleien heraus, sondern sie entfernten sich sogar von den anderen. Sie bewegten sich hauptsächlich im Bereich gegenüber der Tür zum Abteil mit den Futternäpfen. Direkt an der Tür kristallisierte sich immer mehr heraus, dass Django, der Stärkste in dem Rudel, seinen vordersten Platz behauptete. Django ist auch derjenige, von dem wir wissen, dass ihm von allen Rudelmitgliedern Futter am wichtigsten ist, genauer gesagt: Ihm ist ausschließlich Futter wichtig. Dieser vorderste Platz an der Tür wurde von zwei Welpen immer wieder infrage gestellt. Immer wieder versuchten sie ihn ein wenig wegzudrängen, was Django mit kurzen heftigen Attacken, ohne dabei sein Gegenüber zu berühren, quittierte. Es entstand immer mehr zwischen diesen drei Huskys eine Rangelei, die sich von Minute zu Minute steigerte und in der sich Django jedes Mal aufs Neue behauptete. Um diese drei herum hatte sich eine Art Halbkreis gebildet. Man konnte den Eindruck gewinnen, als wenn die anderen zuschauten, was diese drei Protagonisten dort am Tor machten. Indy war noch immer auf der gegenüberliegenden Seite des Abteils und hielt sich demonstrativ raus, ebenso die zwei Welpen. Dieses Szenario veränderte sich die nächsten Minuten bis zum Öffnen der Tür nicht mehr. Als wir die Tür öffneten, war Django auch der Erste, der sich durch die Tür drängelte und zu einem der Näpfe lief, gefolgt von den anderen beiden Welpen, mit denen er sich zuvor minutenlang die Rangeleien geliefert hatte. Daran anschließend folgten die zuvor in einer Art Halbkreis stehenden Zuschauer. Hier waren es die Reaktionsschnellsten, die durch die Tür rannten. Erst zuletzt Indy und die beiden Welpen, die sich bei ihr aufhielten. 

Am Futter angekommen.

An den Näpfen angekommen, fraßen alle sofort wild drauflos. Django und Edge fraßen allein an den Näpfen. An den Näpfen, an denen die Welpen und Junghunde waren, fraßen sie auch zu zweit oder zu dritt gleichzeitig. Bisweilen war dabei ein leichtes Knurren zu hören, aber es kam zu keinerlei Rangeleien oder Auseinandersetzungen. Nachdem die Näpfe leer waren, schaute jeder in den anderen Näpfen nach, ob dort noch etwas übrig geblieben war. Und innerhalb weniger Minuten hatte sich das ganze Rudel wieder beruhigt. Jeder suchte sich eine schöne Liegefläche oder versuchte jemanden zum Spielen aufzufordern. Als wenn zuvor nichts gewesen wäre. In diesem Szenario war es ebenso, dass nicht die Leithündin zuerst durch die Tür ging, sondern derjenige, dem es am wichtigsten war, zu dem Futter zu gelangen.

Du möchtest das Rudel mal Live erleben? dann schaue hier: www.huskyerlebnistouren.de

Wie ist das in der Natur?

Wir wissen es nicht. In den Veröffentlichungen von Brandenburg und Bloch habe ich nichts gefunden, was die Theorie bestätigt, dass das Leittier zuerst durch die Tür geht. Es gibt Beschreibungen, dass das Leittier zuerst geht und alle anderen Mitglieder folgen, aber das ist immer situationsbedingt. Es gibt auch Beschreibungen, in denen das Leittier in die Mitte geht und das Rudel von dort aus anführt und lenkt. Ich frage mich, welchen Vorteil das Rudel hätte, wenn das Leittier immer zuerst gehen würde. Ich sehe keinen, denn wer immer zuerst geht, kann sich selbst in Gefahr bringen. Ratten, ebenfalls Rudeltiere, schicken nicht ohne Grund die schwächsten, rangniedrigeren Mitglieder voraus, zum Beispiel, um neue Nahrungsquellen zu testen oder neue Räume zu erkunden. Wie wichtig das Leittier für das Überleben eines Rudels ist, ist gut dokumentiert. Der Verlust des Leittieres wäre eine große Gefahr für das gesamte Rudel, die nicht leicht zu kompensieren ist.

Wer geht auf den Hundeplätzen zuerst durch die Tür?

Wie tief das Dogma, sitzt, dass der Mensch zuerst vor dem Hund durch eine Tür geht, kann man häufig in Hundeschulen erleben. Auf dem Weg vom Auto zum Hundeplatz zieht der Hund die Menschen quer über den Parkplatz, aber kaum an der Tür angekommen, wird dann durchgesetzt, dass der Mensch vorn läuft. Auf dem Weg zurück zum Auto, ist es dann wiederum der Hund, der zuerst ins Auto steigt. Widersprüchlicher geht es kaum.

Quelle: „Alaskan Huskys“ ISBN: 9783750435346

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