Quietschspielzeug hebt die Beißhemmung auf. Diese Aussage gehört zu den meist getätigten Aussagen rund um die Beißhemmung. Vor allem in Welpengruppen macht diese Aussage die Runde. Doch ist das tatsächlich so?
Welpen lieben das quietschende Spielzeug.
Genüsslich bohren sich die kleinen, spitzen Zähnchen des Welpen in das Quietschspielzeug. Immer und immer wieder mit kauenden Bewegungen seines Fanges. Dazu erschallt das immer gleiche “Quietsch”. Und dieses quietschende Geräusch soll die Beißhemmung bei Hunden aufheben? Diese Aussage kann man des Öfteren in Welpengruppen hören. Vor kurzem durfte ich auf der Homepage einer großen Hundeschule lesen, dass das Quietschspielzeug die angeborene Beißhemmung bei Hunden aufhebt. Auf einer anderen Seite im Internet konnte ich lesen, dass man die Beißhemmung beim Hund erst trainieren müsse. Was denn nun? Wenn sie angeboren ist, muss ich sie weder herausarbeiten noch trainieren. Und wenn ich sie trainieren muss, ist sie nicht angeboren, sondern eine Fähigkeit. Ist die Beißhemmung aber angeboren, kann nichts sie aufheben. Ob angeboren oder erlernt: Fähigkeit bleibt Fähigkeit. Wenn sie angeboren ist, dann ist sie da. Und wenn sie erlernt ist, dann ist sie erlernt und verschwindet nicht einfach. Du, lieber Leser, hast gelernt zu lesen, und diese Fähigkeit wird dich dein Leben lang begleiten.
Ich kann eventuell trainieren, dass der Hund eine Fähigkeit nicht anwendet. Aber sie bleibt vorhanden. In einem anderen Hundeblog durfte ich lesen, dass die Beißhemmung bei jedem Hund erst trainiert werden muss. Ohne dieses Training werde sonst jeder Hund später wild um sich beißen. Diese Beißhemmung würde dadurch erlernt, dass sich die Welpen bei den älteren Hunden ausprobieren, indem sie ihnen beispielsweise in die Pfoten beißen. Sollten sie zu fest zubeißen, bekommen sie eine Rückmeldung von den Alttieren. Das kann durch Knurren sein oder durch ein Luftschnappen. Dann würde der Welpe wissen, dass er zu stark zugebissen hat und es beim nächsten Mal unterlassen. Er wäre danach vorsichtiger. Und im Zusammenhang mit Quietschspielzeug bekäme der Welpe diese wichtige Rückmeldung nicht und würde auch in Zukunft weiter munter zubeißen – auch dann, wenn sein Gegenüber quietscht oder schreit.
Ist die Beißhemmung angeboren?
Ich weiß nicht, ob diese Beißhemmung tatsächlich angeboren ist, oder antrainiert wird. Bislang habe ich dazu keine eindeutige wissenschaftliche Untersuchung in die Hände bekommen. Es gibt verschiedene Forschungsberichte, in denen es auch um die Beißhemmung geht, aber niemals darum, ob sie angeboren oder antrainiert ist.
Wie sind die Erfahrungen von Züchtern dazu?
Aufmerksame Hundezüchter werden bestätigen, dass es tatsächlich vorkommt, dass junge Welpen mit ihren Eltern spielen und vor allem beim ”Pfötchenspiel” auch mal kräftig mit ihren kleinen spitzen Zähnen zubeißen. Dies kann man auch in unserem Huskyrudel genauso beobachten. Und dann gibt es eine Antwort von den Eltern in Form einer Disziplinierung. Auch beim Spiel unter Geschwistern ist es ähnlich. Wenn die Welpen zu stark raufen oder zu fest zubeißen, dann kreischen die Geschwister theatralisch in entsprechender Lautstärke. Dies soll dazu führen, dass sich die Beißhemmung bei den jungen Hunden entwickelt und sie lernen, wie stark sie bei Artgenossen zubeißen dürfen. Ferner üben und trainieren sie, die Kraft ihres Fanges gezielt einzusetzen. Das kann je nach Situation zart und butterweich sein oder, wenn nötig, knochenbrechend. Dass dieses System zuverlässig funktioniert, egal ob angeboren oder antrainiert, zeigen uns tagtäglich Millionen von erwachsenen Hunden.
Und nun kommen wir zu der Behauptung, dass eben Quietschspielzeug genau diese Beißhemmung auflösen oder aufweichen soll.
Die Idee dahinter ist folgende: Der Welpe beißt auf dem Quietschspielzeug herum, und es quietscht. Er bekommt aber keine Rückmeldung, dass es weh tut, weder von seinen Eltern noch von seinen Geschwistern, die dann theatralisch kreischen und wegrennen. Dieses fehlende Feedback würde also dazu führen, dass der junge Hund lernt, er könne ungehemmt zubeißen. Ob es quietscht oder nicht. Ich kann dies durch meine Beobachtungen nicht bestätigen. Alle meine Hunde, die ich als Welpen bekommen habe, hatten auch Quietschspielzeug. Meistens wurde es ihnen von Freunden bei einem Begrüßungsbesuch mitgebracht, wenn sie meinen neuen Zuwachs in der Meute zum ersten Mal kennenlernen wollten. Und alle diese jungen Hunde haben ausgiebig damit gespielt und hatten dennoch allesamt eine gute Beißhemmung.
Weiss der Hund, was er zwischen den Zähnen hat?
Diese Beobachtung bekam ich im Laufe der Jahre von vielen erfahrenen Hundezüchtern bestätigt. Auch sie gaben ihren jungen Hunden solch quietschendes Spielzeug, damit sie sich auszuprobieren und ihren Körper besser kennenlernen konnten. Manches Mal gaben sie den neuen Welpenbesitzern ein solches Spielzeug mit. Und trotzdem gab es in den späteren Lebensjahren dieser Hunde niemals Probleme mit der Beißhemmung. Ich kann es zwar nicht belegen, aber meine Beobachtungen und die vieler anderer zeigen, dass ein Hund in der Lage ist zu unterscheiden, was er gerade zwischen seinen Zähnen hat: Ob das eine menschliche Hand ist, die Pfote eines Bruders oder gummiartiges Plastik.
Es gibt Unmengen von Fotos und Videos, die belegen, dass ein Hund genau weiß, was er dort im Maul hat und wie er damit umgehen muss, wie er seine Kräfte gezielt einsetzt. Er kann genau differenzieren, ob er entweder ein rohes Ei oder gar ein lebendes Küken in seinem Fang hält und dieses vorsichtig durch die Gegend tragen. Oder ob er es mit den Rippenknochen eines Rindes zu tun hat, welche er mit einem kräftigen Biss zerkleinern kann. Er nimmt auch ganz genau wahr, dass deine Hand, die er gerade ins Maul nimmt, um dir auf seine Art und Weise zärtlich “Hallo” zu sagen, empfindlich und zerbrechlich ist. Oder er setzt den sogenannten “Flohbiss” an, mit dem er und seine Artgenossen Körperpflege betreiben. Dabei darf und wird er auch nur ganz vorsichtig nagen. Das hat etwas mit Rücksicht und Respekt dir gegenüber zu tun.
Mein Fazit:
Für mich ist diese Aussage mit dem Quietschspielzeug und der Aufhebung der Beißhemmung eindeutig ein Mythos.
Vor kurzem durfte ich dabei sein, als eine ältere Frau mit ihrem noch jungen Hund von einer Passantin darüber aufgeklärt wurde, dass Quietschspielzeug sehr gefährlich sei. Denn deren Geräusche würden den Klang von kleinen, schreienden Kindern imitieren. Und so würde der Hund ermutigt, in Zukunft Kinderwagen und die Kinder darin zu attackieren. Eine solche Aussage halte ich nicht mehr für einen Mythos, sondern sie ist schon sehr an den Haaren herbeigezogen. Hunde sind mit ihrem ausgesprochen feinen Gehör dem unseren weit überlegen, sodass sie genau unterscheiden können, was dort quietscht, kreischt oder sonstige Geräusche von sich gibt. Ich bin anschließend zu der älteren Frau gegangen und konnte ihr die zuvor hervorgerufene Angst nehmen, die diese Passantin hervorgerufen hatte.
Ich kann aber jeden Hundehalter verstehen, der mit einem spitzen Gegenstand das quietschende Spielzeug zum Verstummen bringt, weil es einem zweifellos auf die Nerven gehen kann.
Du möchtest noch mehr zu diesen und ähnlichen Themen erfahren? Dann schau mal hier.