Alaskan Husky Pünktchen

Es gibt Hunde, die deutlich mehr Pech haben als andere Hunde. Sie scheinen das Unglück irgendwie magisch anzuziehen wie ein Magnet. Nicht, dass sie tollpatschig oder so ähnlich wären, auch nicht besonders dumm. Nein, man kann es nicht erklären außer achselzuckend zu sagen: “Ist einfach so.”

Pünktchen ist ein solcher Hund. Das fing schon bei ihrer Geburt an. Sieben ihrer Geschwister waren bereits auf der Welt, gewärmt von ihrer Mutter Indy. Die Geburt dieser sieben Geschwister dauerte insgesamt knapp sieben Stunden, mit einem Durchschnitt von einem Welpen pro Stunde, was ein normaler Wert ist. Und alle waren bei guter Gesundheit. Der Achte war es auch, aber davon wusste noch niemand, außer vielleicht Indy. Pünktchen nahm sich Zeit. Sehr viel Zeit. Nach mehr als acht Stunden machte auch sie sich auf den Weg nach draußen. Wir waren sehr überrascht, weil wir nicht mit einem achten Welpen gerechnet hatten. Andererseits konnten wir Pünktchen auch verstehen, denn sie wurde an einem kalten und sehr nassen Februartag geboren. Sie bekam ihren Namen wegen des Musters auf ihrem Fell: schwarze Punkte auf weißem Grund.

Unterwegs mit den Welpen

An einem warmen, fast heißen Tag Ende Juni waren wir mit vier der Welpen für einen kleinen Spaziergang unterwegs. Die Temperaturen waren hoch und die Natur war grün und bunt. Wir wollten mit den Welpen die Gegend erkunden, damit sie das Leben kennenlernen konnten. Es war nicht das erste Mal, dass wir mit den Welpen einen Ausflug unternahmen. Die Welpen rannten manchmal voraus, drehten sich um, rannten lautstark in unsere Richtung, stürmten an uns vorbei, drehten sich schließlich wieder um und holten uns ein, begleiteten uns eine Weile und suchten dann auf beiden Seiten des Weges nach Mäusen. Das hilft den Welpen, ihren Körper kennenzulernen, ihre Körperkoordination zu trainieren und das dreidimensionale Sehen zu lernen. Normalerweise legen wir ein paar Kilometer zurück.

An diesem Tag war die Strecke wegen der Wärme kürzer. Die Zeit der Mittagspause war gerade vorbei, es war also früher Nachmittag, und so herrschten jetzt die höchsten Temperaturen des Tages. Wir kehrten zu unserem Hof zurück. Die vier Welpen liefen voraus. Man merkte Ihnen an, dass sie den Weg schon kannten und wussten, wo sie hinmussten. Aber aus einem unbekannten Grund hatten sie sich doch vertan: Sie bogen eine Einfahrt zu früh ab und liefen auf den falschen Hof. Und damit nahm das Unheil seinen Lauf.

Der Nachbar schlug und trat um sich

Aus irgendeinem Grund fand der Nachbar und Bewohner des Hofes das gar nicht witzig. Er sah von seinem Fenster aus die Welpen, stürmte sofort aus seinem Wohnhaus heraus und lief schreiend auf die vier Welpen zu, die gar nicht so recht wussten, wie ihnen geschah. Gleichzeitig warf er mit Gegenständen, die ihm gerade vor die Finger kamen, nach ihnen. Wenn sie direkt in seine Nähe kamen, versuchte er sie mit den Füßen zu treten. Zum Glück traf er sie nicht, weder durch Tritte noch durch Wurfgeschosse. Doch der Gesamteindruck seines Auftretens reichte völlig aus, um die vier Welpen in Panik zu versetzen.

Schon als der Nachbar herausgestürmt kam, rannte Blitz sofort zu mir. Erst etwas später flüchteten die anderen drei vor dem entstandenen Chaos und stürmten etwas entfernt an uns vorbei. Einen konnten wir relativ schnell wieder einfangen, doch die anderen beiden, nämlich Pünktchen und Ablaz, waren dermaßen in Panik, dass sie quer durch den Ort rasten und verschwanden. Wir brachten die beiden anderen Welpen nach Hause und begannen sofort mit einer Suchaktion. Zu Fuß und mit dem Fahrrad waren wir im Ort unterwegs und fragten alle, die wir trafen, ob sie Pünktchen oder Ablaz gesehen hätten. Wir bekamen den einen oder anderen Hinweis von den Nachbarn, wobei wir jedem nachgingen. Und so fanden wir Ablaz nach einiger Zeit völlig verstört und brachten ihn zurück zum Rudel. Nur Pünktchen fanden wir nicht.

Viele Hinweise gingen ein.

Wir bekamen Hinweise, wo sie gesehen wurde, doch sie war immer schon weg, wenn wir dort ankamen. Wir suchten weiter. Nach drei Stunden sichtete Lisa sie in einem nahegelegenen Waldstück und näherte sich ihr vorsichtig. Es war Pünktchen deutlich anzusehen, dass sie in Panik war. Sie atmete sehr, sehr schnell, mit weit aufgerissenen Augen, winzigen Pupillen, herunter hängenden Ohren und eingeklemmter Rute. Ihr gesamter körperlicher Ausdruck war darauf eingestellt, schnellstens fluchtbereit zu sein. In ihrer Panik schien sie Lisa nicht zu erkennen oder ihr in dem Moment einfach nicht zu trauen. Womöglich waren auch beide so aufgeregt, dass Pünktchen nicht über ihren Schatten springen konnte, um zu Lisa zu gehen. Bis auf zwei, drei Meter konnte sich Lisa nähern, dann aber rannte Pünktchen weg und verschwand im Wald.

Lisa informierte alle über die digitalen Medien, die sie in der Umgebung kannte. Sie rief beim Tierheim an, bei der Polizei, bei Tasso. Und so verging Minute um Minute, Stunde um Stunde, wir suchten, aber wir bekamen sie nicht zu sehen. Lisa sprach mit jemandem, der sich mit der Suche und Rückführung von Hunden ausgezeichnet auskennt. Er gab ihr telefonisch wertvolle Tipps. So legte Lisa daraufhin eine Spur aus einem Wasser-Blut-Gemisch von der Stelle, an der Pünktchen zuletzt gesehen wurde und wo wir sie auch weiterhin vermuteten, bis zu unserem Hof, bis zum Rudel. Es gab noch vereinzelte Hinweise, dass sie gelegentlich gesichtet worden sein sollte, doch auch dort verliefen die Suchen ergebnislos. Langsam wurde es dunkel. Wir beschlossen, die Suche abzubrechen und zu unserem Hof zurückzukehren. Wir hofften, dass sie mittlerweile dorthin zurückgelaufen war, doch diese Hoffnung erfüllte sich nicht.

Lisa schlief draußen.

Lisa beschloss, die Nacht draußen zu verbringen und auf der Terrasse zu schlafen. Alle Zugänge waren weit geöffnet, damit Pünktchen auf den Hof gelangen konnte, wenn sie zurückkehrte. Lisa machte es sich auf der Terrasse in einem Liegestuhl bequem, soweit es eben ging. Zum Glück war es Sommer und damit nicht allzu kalt. Dennoch hatte sie eine sehr unruhige Nacht, waren ihre Sinne, hauptsächlich die Ohren, doch immer dabei, alle möglichen Geräusche zu registrieren, um zu hören, ob Pünktchen zurückgekommen sei. Was sie hörte, waren Ratten, die sich im Garten tummelten, aber kein Pünktchen. Die Nacht verging, die Sonne stieg auf, es wurde wieder hell. Doch Pünktchen war nicht zurück. Wir fuhren erneut los, um sie zu suchen. Doch kein einziges Lebenszeichen war von ihr zu sehen.

Noch immer kein Lebenszeichen.

In unserer Mittagspause suchten wir weiter, an Maisfeldern vorbei, an weidenden Kühen, an Weizenfeldern und durch die Waldstücke. Lisa richtete Futterstellen überall dort ein, wo Pünktchen gesehen wurde. Sie informierte die Jäger, worauf hin sich einige spontan bereit erklärten, große Lebendfallen aufzustellen, in der Hoffnung, Pünktchen so einfangen zu können. Einer der Jäger verfügte über eine Drohne mit Wärmebildkamera. Diese wird oft dazu eingesetzt, Weiden nach Rehkitzen abzusuchen, bevor sie gemäht werden. Da es den Tag über zu warm war, um etwas mit der Kamera zu sehen, wollte er abends, wenn es sich abgekühlt hatte, mit der Drohne das entsprechende Gebiet abfliegen.

Wenn es nachmittags die Zeit erlaubte, fuhren wir Patrouille mit Auto und Fahrrad, entlang der vielen Schotter- und der kleinen Sandwege zu den einzelnen Feldern und Weiden der Landwirte. Aufgrund der Trockenheit der letzten Tage waren wir sicherlich weithin zu sehen wegen der Staubfahne, die wir trotz langsamster Fahrt hinter uns her zogen und die gemächlich nach oben stieg. Nur, wenn Pünktchen diese Staubfahne gesehen hätte, dann hätte sie diese sicherlich nicht mit uns in Verbindung gebracht. Das gleiche Spiel gab es am Abend.

Fußspuren eines Hundes.

Bei einer Scheune und ein paar Unterständen am Rande einer Weide fand Lisa auf dem Sandboden Fußspuren eines Hundes. Von der Größe und Form her hätten sie von Pünktchen stammen können. Auch hier richtete sie einige Futterstellen ein. Sie tat dies aus zwei Gründen: Zum einen, damit Pünktchen etwas zu fressen bekam und zum anderen, dem eigentlich entscheidenden Punkt, damit Lisa nach und nach die Futterstelle in Richtung unseres Hofes verlagern und so Pünktchen indirekt den Weg nach Hause weisen konnte. Die kommende Nacht verbrachten wir im Haus. Die Drohne des Jägers brachte leider kein Ergebnis, wie wir am nächsten Morgen erfuhren. An unserem Hof hatten wir wieder alle Tore und Türen zum Grundstück offen gelassen. Wir schliefen mit der Hoffnung ein, am nächsten Morgen Pünktchen am Gehege zu finden.

Und so führte uns am Freitagmorgen direkt nach dem Aufstehen unser erster Gang nach draußen, um zu sehen, ob Pünktchen in der Nacht auf das Grundstück gekommen war – doch das war nicht der Fall. Wieder waren wir enttäuscht, Frustration und auch Resignation machten sich in Lisa breit. Immer öfter sprach sie davon, Pünktchen wohl nie wiedersehen zu werden. Aber andererseits verströmte sie auch Optimismus, etwa mit der Aussage: “Solange sie nicht tot am Straßenrand gefunden wird, muss sie ja irgendwo am Leben sein!” Es waren extreme Emotionen, in die Lisa geriet – mehr noch als ich, denn ich selbst stürzte mich an diesem Tag wieder auf meine Arbeit, einerseits, weil ich einiges aus den vergangenen zwei Tagen nachzuholen hatte und andererseits, um mich von dem Gedanken an Pünktchen abzulenken. Zudem wurde die Stimmung zwischen Lisa und mir immer gereizter, so sehr überlagerte die Sorge um Pünktchen alles.

Unsere Stimmung verschlechterte sich.

Am Freitagnachmittag fuhren wir erneut Patrouille durch die direkte Umgebung. Wir sahen wieder nach den Futterstellen und suchten nach weiteren Fußspuren. An der Scheune, an der wir die ersten gefunden hatten, waren weitere Spuren von etwa gleich großen Hunden hinzugekommen. Aber nach wie vor konnten wir nicht eindeutig sagen, ob die Größe der Fußspuren zu Pünktchen passte oder nicht. Natürlich belebte das unsere Hoffnung, wobei wir in gewisser Hinsicht unsere Objektivität in diesem Zusammenhang verdrängten, denn wir wollten doch unbedingt, dass Pünktchen lebte und sie hier in der Nähe war.

Am späten Nachmittag mussten wir die Suche wieder abbrechen, weil die Arbeit rief. Danach gingen wir sofort wieder auf Patrouille und überprüften, ob Pünktchen vielleicht auf dem Hof angekommen war, denn alle Türen und Tore waren noch offen. Zwischendurch erhielten wir einen Hinweis, dass jemand etwas gehört hatte, das sich wie das Heulen eines Wolfes anhörte. Da es zu dieser Zeit keine Wölfe in der Gegend gab und Pünktchen mit dem Rudel wie ein Wolf heulen konnte, gingen wir sofort zu dem Ort, an dem das Heulen gehört worden war. Wir suchten dort alles ab und riefen nach Pünktchen, aber es war nichts zu sehen oder zu hören. Wir suchten die Futterstellen erneut ab und hielten nach weiteren Fußspuren Ausschau, aber seit dem Nachmittag hatte sich nichts verändert.

Es war wie verhext, denn mathematisch gesehen war die Wahrscheinlichkeit, dass sie fünf Meter entfernt von mir in einem Maisfeld saß, genauso groß wie die, dass sie fünf Kilometer entfernt auf einer Wiese oder über 10 km entfernt in der Nachbarstadt war, durch die sie vielleicht gewandert war. Sie konnte wirklich überall sein. Ohne einen konkreten Anhaltspunkt war es genauso gut möglich, dass sie hinter der nächsten Straßenbiegung saß und auf uns wartete. Wir waren uns dieser Möglichkeiten bewusst, was sowohl deprimierend als auch anstrengend war, aber auch unsere Hoffnung am Leben hielt. Es war eine Achterbahn der Gefühle.

Wir sprachen uns Mut zu.

An diesem Freitagabend war es so, dass wir einander Mut zusprachen. Nach jeder Kurve, jedem Abbiegen, jeder Kreuzung sagten wir uns: Gleich finden wir sie. Aber wir fanden sie nicht. Es wurde dunkel, und wir fuhren zurück zum Hof. Mit wenig Hoffnung, aber mit großer Müdigkeit schliefen wir an diesem Abend schnell ein. Der Schlaf war intensiv, aber nur kurz. Einige Zeit nach dem Eintreten der Helligkeit, und Ende Juni wird es sehr früh hell, hörte ich draußen ein Geräusch. Im Halbschlaf führte ich es auf einen Hahn zurück – oder war es doch das Heulen eines Hundes aus größerer Entfernung? Ich meinte, dieses Geräusch zweimal gehört zu haben und dann nicht mehr. Wegen eines Hahnes wollte ich nicht aufstehen. Und so schlief ich weiter, aber nicht allzu lange.

Es war kurz nach sechs Uhr, als das Rudel anfing, gemeinsam zu heulen. Das war sehr ungewöhnlich so früh am Morgen. Normalerweise beginnt das rituelle Morgengeheul erst um sieben Uhr. Lisa sprang mit einem Weckerklingeln aus dem Bett und lief zum Fenster, um dem Heulen nachzugehen. Kurz darauf kam sie zurück, zog sich an und sagte mir, dass sie nach Pünktchen suchen würde, ich aber weiterschlafen sollte. Als ob ich dies noch hätte können. Natürlich konnte ich nicht mehr schlafen. Was Lisas Alarm ausgelöst hatte, war Folgendes: Das heulende Rudel schaute nicht wie sonst in Richtung Haus oder Garten, sondern sie saßen oder standen alle zusammen in einer Ecke und schauten in Richtung des Nachbargrundstücks, als ob dort etwas Wichtiges wäre.

Was hat das Hunderudel gehört?

Lisa konnte nicht erkennen, was es war. So lag ich noch ein wenig im Bett, um noch wacher zu werden. Ich spielte mit dem Gedanken, nun aufzustehen, als ich wieder diesen komischen Hahn hörte, der krähte – nur diesmal lauter und näher. Kurz danach gab es große Aufregung im Rudel, was mich dazu brachte, zu kombinieren und nachzudenken. Und als ich zu einem Ergebnis gekommen war, rief Lisa von draußen nach mir. Ich stand auf, eilte zum Fenster und sah Lisa mit Pünktchen auf dem Arm in der Morgensonne stehen. Nach fast vier Tagen hatte Pünktchen endlich zurückgefunden. Erschöpft, dreckig, aber, soweit auf die Schnelle erkennbar, gesund. Und das Letztere war für uns das Wichtigste. Sie war auch nicht abgemagert, und wir vermuteten, dass sie sich in den letzten Tagen an dem reichen Angebot an Mäusen bedient hatte…

Wie hat das Hunderudel reagiert?

Wie hat das Rudel reagiert, als Pünktchen wieder ins Gehege kam? Es herrschte große Aufregung, die von gelegentlichem Jaulen begleitet wurde. Sie wurde von allen Mitgliedern intensiv untersucht, vor allem mit der Nase – und zwar so aufdringlich, dass es Pünktchen schon sichtlich unangenehm war, aber sie ließ das ganze Prozedere über sich ergehen. Indy, ihre Mutter, fing an, sie abzulecken, wobei sie am Kopf begann. Ihre Schwestern taten es der Mutter gleich, wenn auch längst nicht so intensiv. Auf uns wirkte es wie eine Mischung aus Sauberlecken sowie Zärtlichkeit und Zuneigung.

Nach etwas über einer halben Stunde hatten dann alle Mitglieder des Rudels Pünktchen eingehend untersucht, und sie verschwand in einer Hütte zum Schlafen. Bis zum Nachmittag ward sie nicht mehr gesehen. Lisa informierte unterdessen alle über die sozialen Medien, dass Pünktchen zurückgekehrt war, mit den besten Grüßen und einem herzlichen Dank an alle Unterstützer. Die langfristigen Folgen waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht abzuschätzen. Das kam erst mit der Zeit.

Lisa mit traumatisierten Alaskan Husky Pünktchen

Die langfristigen Folgen:

Pünktchen war seitdem sehr scheu gegenüber allen Menschen (Link zum Thema traumatisierte Hunde) außer Lisa. Alle anderen Alaskans im Rudel waren gegenüber Menschen weiterhin sehr aufgeschlossen und manchmal sogar aufdringlich. Das hat sich bis heute nicht verändert. Gab es tatsächlich einmal Menschen, denen sich Pünktchen näherte, dann mussten diese schon eine halbe Stunde oder länger in dem Gehege gewesen sein. Anders hingegen ist es im Gespann. Dort zieht und läuft sie mit den anderen, ohne jegliche Scheu. Vor kurzem war sie sogar die ersten Male im Lead, zusammen mit einem erfahrenen Althund und das in einem Alter von nicht einmal einem Jahr. Und sie machte ihre Sache für ihr Alter gut. Wir hegen die Hoffnung, dass sie ein Leaddog für das zweite Gespann wird.

Eben ein kleiner Katastrophenhund.

Pünktchen rutschte einmal in einer Kurve weg und scheuerte sich dabei ihre Pfote auf. Davor war das dort noch keinem der anderen Hunde jemals widerfahren, und auch danach konnten wir es an dieser Stelle bei keinem beobachten. Es war zwar nur ein ganz kurzes Wegrutschen, aber es war doch eine typische Pünktchen-Aktion.

Nieselregen, feuchte Wege, hochspritzender Dreck beim Fahren, kurz: es herrschte norddeutsches Schmuddelwetter. Es war Oktober, der Beginn der Zughundesaison. Pünktchen war das Wetter egal, sie war in ihrem Element: mit anderen Huskys aus dem Rudel im Gespann ziehen. Und wenn auf dem 15 Kilometer langen Weg irgendwo ein scharfes Metallteil auf dem Boden liegt, dann stehen die Chancen gut, dass Pünktchen hineintritt, aber kein anderer der Hunde. Beim Wahrnehmen einer solchen Chance (das Auffinden eines scharfen Bodenbearbeitungsgerätes) hatte sie sich an der Pfote verletzt. Das war nun wieder so eine typische Aktion. Wem in dem Gespann geschieht so etwas? Pünktchen!

Zäh, wie die Alaskans (Link nach Amazon) sind, wenn sie den Rennmodus im Kopf eingeschaltet haben, hatte sie nicht einmal aufgejault oder gejammert, als sie in den scharfen Gegenstand trat. Stattdessen lief sie ganz normal weiter. Wir bemerkten die Verletzung erst nach der Rückkehr. Da die Wunde doch ziemlich groß war, fuhren wir sofort mit ihr zum Tierarzt. Pünktchen war vorher noch nie allein im Auto mitgefahren und war vorher auch noch nie allein beim Tierarzt. Sie war lediglich einmal als Welpe zum Impfen mit ihren Geschwistern zum Tierarzt gefahren worden. Sie saß auch diesmal ganz ruhig im Auto.

Beim Tierarzt.

Bei ihrer Ankunft wurde sie gewogen und ihre Daten wurden erfasst. Im Wartezimmer setzte sie sich von allein hin und blieb ruhig. Was konnte ihr schon passieren? Lisa war bei ihr, also war sie den anderen Hunden im Wartezimmer gegenüber gleichgültig. Bei der Untersuchung wurde festgestellt, dass die Wunde genäht werden musste. Pünktchen sollte eine kurze Narkose bekommen, um die Wunde schnell zu nähen. Sie bekam die ihrem Gewicht entsprechende Dosis, aber nichts passierte, außer dass sie sich hinlegte.

Die Dosis wurde verdoppelt. Dies führte dazu, dass sie einschlief. Allerdings wurde sie bei jeder Berührung und bei jedem Geräusch wieder wach und begann, mit dem verwundeten Bein zu zappeln. So war es unmöglich, die Wunde zu nähen. Dass sie sich so sehr gegen das Narkosemittel wehrte, war ihrem hohen Adrenalinpegel zu verdanken. So musste sie doch mit Hilfe eines anderen Mittels in eine tiefe Narkose gelegt werden, damit die Verletzung endlich versorgt werden konnte. Laut Tierärztin würde sie jetzt mindestens zwei Stunden tief und fest schlafen. Lisa trug sie ins Auto und fuhr nach Hause. Als sie nach 15 Minuten Fahrt dort ankam und das Auto öffnete, befand sich Pünktchen schon wieder in Brustlage, schaute Lisa an, während ihre Rute wedelte. So viel zum Thema ”Zwei Stunden tief und fest schlafen….”

Die Wunden entzündeten sich.

Zart und geschmeidig beschrieb die Wunde treffend. Sie entzündete sich und ergoss reichlich Eiter. Das umliegende Gewebe begann abzusterben, und die Wunde nahm an Größe zu, als wäre sie nicht schon groß genug gewesen. Drei verschiedene Antibiotika wurden verabreicht, doch keines zeigte Wirkung. Die Gefahr einer Blutvergiftung wuchs unaufhaltsam von Tag zu Tag, von Stunde zu Stunde. Pünktchen wurde in unserem Flur separiert, da die gemessene Körpertemperatur 40° Celsius betrug. Beim Hund bedeutet das Fieber.

Neben gutem Futter gab es viel Aufmerksamkeit. Alle Behandlungsmaßnahmen ertrug sie still und geduldig, ohne zu klagen. Die Wunde wurde größer und größer, fast die Hälfte der Pfote war ohne Haut und Fell. An mehreren Stellen schaute der Knochen durch das Fleisch hervor. Die Speiche über der Pfote war einige Zentimeter lang blank. Der Verband musste zweimal täglich gewechselt werden. Zudem musste sie einen Trichter tragen, einen sogenannten Schutzkragen, der sie daran hinderte, an der Wunde zu lecken, wodurch sie sich noch weiter vergrößert hätte. 

Der aktuelle Stand der Dinge.

Das war der aktuelle Stand der Dinge, als ich diese Zeilen schrieb. Pünktchen wird von uns noch immer verarztet. Eine Prognose über den Ausgang ist ungewiss. Zwischen der kompletten Genesung, einer Amputation oder sogar ihrem Tod ist alles möglich. Wenn du, lieber Leser, wissen möchtest, wie es mit Pünktchen ausgegangen ist, kannst du uns gerne fragen. Kontakt kannst du aufnehmen über 

www.huskyerlebnistouren.de 

Es ist bemerkenswert, dass wir bei den regelmäßigen Kontrollen beim Tierarzt folgende Beobachtung gemacht haben: Pünktchen durfte aufgrund ihrer Verletzung nicht eigenständig ins Auto springen. Auch der Trichter um ihren Kopf verhinderte dies, da sie daran hängen bleiben könnte – eine typische Pünktchen-Missgeschick-Situation. Aus diesem Grund mussten wir sie mit ihrer Rute voran, also rückwärts, ins Auto tragen. Nach dem vierten oder fünften Mal erkannte sie bereits die bevorstehende Prozedur. Sie positionierte sich von selbst mit ihrem Hinterteil an der geöffneten Seitentür und „parkte“ gewissermaßen ein, sodass wir sie problemlos rückwärts ins Auto heben konnten. Es war erstaunlich zu sehen, wie schnell sie sich an diese Vorgehensweise gewöhnte und sie kooperativ mitwirkte.

Ähnlich verlief auch der Verbandswechsel. Wir stellten ein Welpengitter auf und fixierten sie daran. Eine kurze Leine wurde am Halsband befestigt, während wir um ihre Hüfte eine Schlinge legten, die ebenfalls am Gitter befestigt war. Dadurch konnte sie sich nicht hinlegen, stand sicher und wir konnten in aller Ruhe die Wunde versorgen. Sobald sie bemerkte, dass wir mit der Verbandstasche kamen und den Schutzkragen entfernten, stellte sie sich passend parallel zum Gitter auf. Das Anbringen der Karabinerhaken war dann ein Kinderspiel. Wann immer wir ihr nur den Kragen abnahmen, machte sie das nicht von selbst. Pünktchen zeigte dieses Verhalten bereits nach wenigen Verbandswechseln. Es ist erstaunlich, dass es immer noch Hundeschulen gibt, die ihren Kunden weismachen wollen, dass es hunderte oder sogar tausende von Wiederholungen braucht, bis ein Hund gelernt hat, was von ihm verlangt wird.

Und jetzt los, lass uns Wissen, was du denkst!