Familienhund

Manche Hundetrainer vermitteln Familien, dass sie alle dem Familienhund gegenüber gleich auftreten müssten, um ihn unter Kontrolle zu behalten. Alle Beteiligten müssten die gleichen Regeln durchsetzen, und alle Beteiligten müssten gegenüber dem Hund dasselbe erwarten. Es gibt viele Aussagen dazu, dass man von einem Hund nicht zweierlei erwarten könnte. Wenn das Frauchen z. B. gerne den wohlerzogenen, vorzeigbaren Hund hat, kann er nicht gleichzeitig für das Herrchen einfach nur der Kumpel sein. Und für den Sohn oder Tochter der Begleiter am Pferd oder der Begleiter beim Agility. In der Praxis sieht das dann so aus: Das Frauchen möchte gerne, dass der Hund brav und entspannt an der Leine geht. Dem Herrchen ist das nicht so wichtig, da darf der kleine Racker auch gerne mal ein wenig ziehen, aber auch er soll dann das brave an der Leine gehen durchsetzen. Warum? Weil der Hund sonst auch beim Frauchen immer wieder an der Leine ziehen würde. Doch ist das tatsächlich so? Kann ein Familienhund den unterschiedlichen Erwartungen der einzelnen Familienmitglieder nicht gerecht werden? Kann er von den Familienmitgliedern unterschiedlich gesetzte Grenzen nicht individuell unterscheiden? Fangen wir zunächst mit einem kleinen Exkurs bei uns Menschen und in einem Hunderudel an.

Sibirian Husky Django

Ob Familienhund oder Kind: Das Verstehen von individuellen Grenzen ist das gleiche.

Als ich Kind war, da wusste ich genau, was ich mir bei meiner Mutter erlauben konnte. Und was bei meinem Vater. Mein Vater war aufgrund seiner Biografie gutmütiger, meine Mutter strikter und rigoroser. Sie setzte mir in meinem Leben viel engere Grenzen, als es mein Vater tat. Das konnte ich genau unterscheiden. Und ich konnte genau unterscheiden, was ich mir bei meinen Großeltern herausnehmen konnte. Das war etwas völlig anderes, als bei meiner Tante, wenn ich bei ihr zu Besuch war oder dort ein paar Tage in den Ferien. Ich weiß aus den Erzählungen vieler Eltern, dass es mit ihren Kindern ebenso ist. Dass deren Kinder genau unterscheiden können, bei wem sie sich was erlauben können. Dass die Kinder genau wissen, wo die Grenzen bei Mama, Papa, Oma, Opa, Geschwister oder auch Onkel und Tanten sind. Und wenn mich ein paar meiner Kindergarten- oder Grundschulfreunde besuchten, so wussten diese genau, wo die Grenzverläufe meiner Mutter waren, die sich manchmal von denen ihre Mütter unterschieden. Erzieherinnen in Kindergärten berichten mir regelmäßig, dass die Kinder in den Gruppen genau unterscheiden können, bei welcher Erzieherin sie sich was herausnehmen können.

Wir sind alle nur Menschen mit unterschiedlichen Wünschen an unseren Familienhund.

Denn Erzieherinnen sind auch nur Menschen, mit unterschiedlichen Erfahrungen und Biografien und entsprechend mit unterschiedlichen Vorstellungen und Grenzsetzungen. Und die Kindergartenkinder können wunderbar zwischen den einzelnen Erzieherinnen unterscheiden. Und wenn du dich, lieber Leser, an deine Kindheit zurückerinnerst, so werden dir sicherlich viele Beispiele einfallen, wie du Erwachsene unterschiedlich bewertet hast. Du konntest genau unterscheiden, welcher Erwachsene dir welche Grenzen gesetzt hat.

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Ein Familienhund lotet Regeln genauso aus, wie ein Kind

Und genauso, wie Kinder unterscheiden können, welche Person welche Grenzen und damit welchen Rahmen setzt, kann das ebenfalls der Familienhund. Und wenn du, lieber Leser, jetzt den Gedanken hast, aber das sind doch Hunde, die können das gar nicht, dann frage ich dich: Ist dein Hund tatsächlich so dumm? Alle Hunde, die ich in meinem Leben bisher hatte, konnten das und können das. Sie konnten und können genau unterscheiden, bei wem Sie sich was herausnehmen konnten. Und sie konnten genauso unterscheiden, bei welcher Person sie wie viel Rücksicht nehmen mussten. Ich habe an anderer Stelle von meinem Vater und meinem Schäferhund berichtet, wie mein Schäferhund die Verantwortung für meinen Vater übernommen hat. Dieses Beispiel passt ebenso wunderbar zur Thematik in diesem Beitrag. Denn mein Schäferhund konnte genau unterscheiden, wie vorsichtig und wie viel Rücksicht er bei welchem Menschen nehmen musste. Dass Hunde genau unterscheiden können, was sie sich bei wem herausnehmen können, kann man regelmäßig in dem Huskyrudel von Lisa beobachten.

Ein junger Rüde namens Blitz

Blitz ist ein junger Rüde, der aufgrund von verschiedenen Läufigkeiten der Mädels um ihn herum, eine Zeitlang zusammen mit zwei erwachsenen Rüden in einem Gehege zusammen lebte. Die beiden erwachsenen Rüden waren Edge und Django. Django hat nicht sehr viel, was ihm in seinem Leben wichtig ist. Man kann sagen, dass es drei Dinge sind: fressen, faul herumliegen und gekrault werden. Und zwar genau in dieser Reihenfolge. Fressen war ihm so wichtig, dass er es sehr stark verteidigte. Es war ihm so wichtig, dass es kein anderer Hund wagte, ihm sein Fressen zu stehlen, es nicht mal anzusehen, solange es in seiner direkten Nähe überhaupt nur lag. Völlig unabhängig davon, ob Django es beachtete oder nicht.

Und so wagte Blitz es auch niemals, auch nur daran zu denken, Django Futter zu stibitzen. Selbst wenn Django neben dem Futter schlief, wagte Blitz es nicht, ihm selbiges zu stehlen. In Zusammenhang mit Edge sah das ganz anders aus. Edge war Futter nicht so wichtig. Es war zwar schön, wenn es Futter gab, und wenn es dann noch etwas extra gab, so nahm man das gerne mit, aber wenn das Futter jemand anderes haben wollte, so gab er es auch gerne her. Und so wusste Blitz ganz genau, dass er seinem Vater das Futter regelrecht stehlen konnte, wenn er dieses nicht im Maul hatte. Und das tat er auch. Blitz konnte also ganz genau unterscheiden, dass ihm die beiden Rüden völlig unterschiedliche Grenzen setzten. Und Blitz konnte auch genau unterscheiden, welchem der beiden Rüden was wichtig war. Edge war es ziemlich egal, in welcher Hütte er lag, in welcher Reihenfolge er gefüttert wurde, oder wer wann aus dem Gehege geholt wurde. Es gab nur eine einzige Ausnahme: Wenn es darum ging, eingespannt zu werden.

Was Edge wichtig ist.

Dies war Edge so wichtig, dass es Blitz, der ansonsten gar nicht schnell genug aus dem Gehege heraus kommen konnte, um z.B. mit seinen Geschwistern ein wenig zu toben oder von den Johannisbeeren im Nachbargehege zu naschen, es nicht wagte, sich vorzudrängeln, wenn sich ein Mensch mit einem Zuggeschirr in der Hand dem Gehege näherte. Den Blitz wusste ganz genau, dass Edge in dieser Situation derjenige ist, der zuerst aus dem Gehege geht. Und so wartete Blitz in dieser Situation genau ab, bis Edge aus dem Gehege war. Manchmal wartete er sogar so lange, bis Edge ein paar Meter von der geöffneten Gehegetür entfernt war, bevor er selbst durch die Tür ging. Django war in solchen Situationen völlig anders. Wenn er sah, dass ein Mensch sich mit einem Zuggeschirr ihm näherte, ging er auf direktem Wege in eine Hütte und versteckte sich. Django war zu faul zum Laufen. Und viel zu faul, um etwas zu ziehen. So verzog sich Django dann stets in eine Hütte, um den Menschen mitzuteilen: nicht mit mir. 

Alaskan Husky Blitz

Unterschiedliche Erwartungen können Familienhunde durchaus erfüllen.

An diesen Beispielen sollte klar werden, dass Familienhunde sehr wohl den unterschiedlichen Erwartungen der einzelnen Familienmitglieder gerecht werden können. Wenn also Frauchen sich den vorzeigbaren, erzogenen Familienhund wünscht, steht dem nichts im Wege, wenn Herrchen das etwas lockerer sieht und mit dem Hund den kumpelhaften Umgang pflegt. Und das Kind im Garten mit dem Hund gemeinsam Stofftiere sucht, um anschließend im Kinderzimmer im Bett ausgiebig zu kuscheln, selbst wenn Herrchen und Frauchen das in ihrem Bett nicht möchten. Das ist alles kein Problem. Problematisch wird es nur dann, wenn der Hund die Grenzen, die er zwar kennt, nicht akzeptiert. Wenn der Hund die ihm gesetzten Grenzen völlig egal sind, dann liegt ein anderes Problem vor: Respekt und Rücksicht (lies hier weiter)

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