Blitz, einer der jüngeren Rüden, war wegen einer offenen Wunde in tierärztlicher Behandlung. In dem Rudel gehört er zu den eher weniger intelligenten Hunden. So passieren ihm aufgrund seiner Tollpatschigkeit immer mal wieder Missgeschicke, die zu leichten Verletzungen führen. Nach der Behandlung musste er in einem eigenen Gehege separiert werden, damit die Wunde in Ruhe heilen konnte. Er hatte Sichtkontakt zu den anderen Huskys, denn sein Gehege grenzte direkt an die anderen. So können sich alle sehen, hören und riechen. Natürlich war er davon nicht begeistert, weil er die Gemeinschaft mit den anderen gewöhnt und selbst auch ein geselliger Hund war. Darum verbrachte er viel Zeit am Zaun, der ihn von den anderen trennte. Er war nüselig, wie man in Norddeutschland zu sagen pflegt, das war ihm deutlich anzumerken. Er ließ den Kopf und auch die Ohren hängen und immer wieder ertönte ein Jammern. Im Laufe der nächsten Stunden wurde aus dem Jammern ein regelrechtes Jaulen. Wir dachten erst, es könnte an seinen Schmerzen liegen. Doch das konnte nicht sein, denn er hatte vom Tierarzt ein lange wirkendes Schmerzmittel bekommen. Von Stunde zu Stunde verschlechterte sich seine Laune. Er ließ Kopf und Ohren noch mehr hängen, und sein Gemütszustand wurde immer bedröppelter. Passend zu seinem Namen fehlte eigentlich nur noch ein Gewitter mit prasselndem Regen, um zu verdeutlichen, wie er sich fühlte. Wir versuchten ihn durch Kraulen ein wenig aufzumuntern. Er bekam sogar auch eine Extraportion Futter, was für die Mitglieder im Rudel etwas Außergewöhnliches ist. Doch auch das konnte ihn aus seiner schlechten Laune nicht herausbringen.Wir wussten noch nicht so recht, warum er so missmutig war. Er war zwar separiert, hatte dennoch den vollen Kontakt zu allen anderen Rudelmitgliedern.
Dann fiel Lisa auf, dass Blitz nicht in seine Hütte ging. Sie stand in der Mitte des Geheges, so, wie in allen Gehegen. Aber warum ging er nicht hinein? Wir wussten es nicht. Er umkreiste sie zwar mehrmals, betrat sie aber nicht. Er schaute nicht mal hinein. Der Abend kam, es wurde düster, dunkler und dann wurde es Nacht. Das Jammern wurde immer lauter und intensiver. In die Hütte ging er immer noch nicht. Mittlerweile steckte Blitz die anderen Rudelmitglieder an und es kam wieder und wieder zu einem gemeinsamen Heulen, das von ihm initiiert wurde. Er war offensichtlich unglücklich, nur warum? Immer wieder hatte Lisa das Gefühl, dass es mit der Hütte zusammen hing, dass er sie mied. Das war schon ungewöhnlich. Spät am Abend, bereits nachts als wir immer noch auf der Ursachensuche waren, erzählte Lisa beiläufig, dass Blitz immer in die gleiche Hütte ginge, wenn er mit den anderen zusammen sei. Und da fiel bei uns beiden der Groschen. Er suchte seine Hütte, denn sie fehlte ihm. So machten wir uns auf in die Dunkelheit. Zu allem Überfluss hatte es noch begonnen, leicht zu regnen. Passend zu diesem Wetter angezogen, mit Regenjacke und Gummistiefeln, schleppten wir mitten in der Nacht durch den Regen über den glitschigen Boden die Hütte von Blitz in sein neues Gehege. Nun ist es ja nicht so, dass eine solche Hütte leicht wäre. Sie war stabil aus dickem Holz, mit entsprechender Isolierung gebaut. Und so manches Mal mussten wir artistische Einlagen vollziehen, weil wir auf dem glatten Boden ausrutschten. Dazu kamen Dunkelheit und die Feuchtigkeit. Wir mussten ganz schön ackern, konnten aber schon nach wenigen Minuten sehen, dass sich der Aufwand gelohnt hatte: Blitz lag zufrieden in seiner Hütte, nur die Nasenspitze schaute zur Öffnung heraus. Und er war still, ruhig und entspannt. Ihm hatte tatsächlich “seine” Hütte gefehlt. Er brauchte sie zum Schlafen und um zur Ruhe zu kommen, wie manche Kinder ihren Teddybären benötigen. Den Rest der Nacht hörten wir von Blitz keinen Ton mehr. Er tauchte erst am nächsten Morgen wieder aus seiner Hütte auf, zum rituellen Begrüßungsheulen, das jeden Morgen gegen sieben Uhr über das Grundstück schallt.